Donnerstag, 31. Januar 2013

IX. Die Einfahrphase - erster Teil

Jetzt beginnt also der spannende Teil. Es wird viel passieren und es passiert jetzt schon so viel.

Ersteinmal habe ich zwei Fragen zu beantworten:
Warum heißt es Lebendgestein oder lebende Steine?
Die Steine haben im Meer gelegen. Entweder stammen sie aus einer Nachzucht, aus kontrolliertem Abbau oder sie werden aus einem bestehenden Meeresriff gebrochen (keine wünschenswerte Methode) oder aber sie stammen aus einem schon eingefahrenen und gut laufendem Aquarium. Sie sind meist porös und bestehen aus Korallenskeletten, Muscheln oder Kalk.  Gerade auf Grund der Unebenheiten verfangen sich viele Lebewesen an diesen Steinen. Das fängt bei Bakterien an, geht über Pflanzen (z.B. Algen) und kleine Tiere oder auch abgelegte Eier.  Manchmal birgt auch eine Wohnhöhle (viele Steine sind von kleinen Höhlen und Gängen durchzogen) eine Überraschung und man hat plötzlich eine kleine Krabbe in seinem Aquarium. Die lebenden Steine sind unverzichtbar, wenn man ein Riffaquarium plant. Durch das Lebendgestein und die darauf lebenden Mikroorganismen durchläuft das Aquarium und das darin befindlich Wasser die Einfahrphase. In dieser Phase ist es möglich, dass man von diversen Algen heimgesucht wird, bis sich das Wasser stabilisiert hat und man die ersten Bewohner einsetzen kann/darf. (Natürlich ist es möglich mit toten Steinen zu arbeiten, dann allerdings verlängert sich die Einfahrphase um gefühlt 100 Jahre)
Bakterien in das Aquarium einzubringen nennt man "animpfen". Dies geht über das erwähnte Lebendgestein, oder über Live Sand (ja, der heißt wirklich so - obwohl er eigentlich Life Sand heißen müsste) oder über eine konzentrierte Baktieren-Suppe. Um alles richtig  zu machen hatten wir also Lebendgestein, Live Sand und ein Extra-Bakterien-Starterkit! Die Einfahrphase kann also kommen.

Die zweite Frage: Bleibt das Aquarium so blau?
Ja, auf jeden Fall. Ich versuche dieses komplexe Thema nur ganz kurz anzuschneiden: Das Lichtspektrum besteht ja aus verschiedenen Farben und Wellenlängen. In der Aquaristik ist das sichtbare Licht das wichtigste (Röntgenstrahlen, Ultraviolettes Licht, Infrarotlicht und Funkwellen können vernachlässigt werden). Licht = Leben. So einfach ist das. Die Fische sehen mit Licht. Wir sehen die Fische in ihren schönsten Farben und die Korallen, und Pflanzen können Photosynthese (Kohlenstoffdioxid wird aufgenommen - Sauerstoff abgegeben) betreiben und das Aquarium am Leben halten. Je lichthungriger die Lebenwesen, desto mehr Licht braucht man logischerweise. Daher werden unsere zukünftigen lichthungrigen Korallen eher weiter oben in unserem Riff angesiedelt werden. Die Lichtintensität im Wasser wird durch Moleküle, die das Licht absorbieren beeinflusst. In einer Tiefe, in der unsere zukünftigen Riffbewohner also in der Natur leben gibt es vor allem blaues und weißes Licht. Deshalb wird es auch weiterhin blau leuchten, unser Aquarium.

Ansonsten haben wir brav unsere ersten Wassertests durchgeführt. 

5ml Aquariumspasser mit einer Spritze aufgezogen, in eine Küvette gegeben die diversen Chemikalien zugefügt, geschüttelt, gewartet, verglichen. PH, Ammonium/Ammoniak, Nitrat und Nitrit. In der Einfahrphase kommt es zum Nitrifikationsprozess. Also die bakterielle Oxidation von Ammoniak und Ammonium zuerst zu Nitrit und dann zu Nitrat. Das bedeutet, dass zuerst der Ammoniakspiegel hoch sein wird und dann abfällt, anschließend der Nitrit und letztendlich der Nitrat-Spiegel. Die Bakterien, die mit unserem Starterkit in unser Aquarium eingezogen sind, ernähren sich von all diesen Stoffen. Wenn der Nitritpeak überwunden ist, kann man an das Einsetzen der Bewohner denken. Übrigens gibt es diesen Kreislauf immer, denn Ammoniak und Ammonium entstehen aus Urin/Kot, Pflanzen- und Futterresten. Aber sowohl das Nitrat als auch Ammonium und Ammoniak sind Futter für Pflanzen. Die Natur hat das schön geregelt. Allerdings sind zu hohe Ammoniak und Nitrit-Werte giftig bzw. tödlich für so manche Aquariumsbewohner.

Nächstes Thema ist unser Eiweißabschäumer. Er ist laut! Und macht Luftbläschen! Und schäumt nichts ab! Nach Googleei und Lektüre diverser Aquaristikbücher wissen wir: Die sind zickig. Nach einigem hin und her, haben wir eine gute Einstellung, sodass er abschäumt. Das Laute versuchen wir durch kleine Styroporplatten zu dämpfen und es ist schon besser. Allerdings überlegen wir immernoch, ob wir ihn nicht ab und zu einfach ausschlaten, wenn er uns stört. Auch in Zukunft. Im Netz finden sich viele Erfahrungen über tagsüber/nachts abgestellte Eiweißabschäumer. Wir werden das im Auge behalten. Die feinen Luftbläschen, die tödlich für unsere Fischlein sein können, weil sie die Kiemen verkleben, bekommen wir mit einem Teebeutel in den Griff. Das Papierding ersetzen wir am nächsten Tag mit gutem Erfolg durch einen Mehrweg-Teebeutel von Füllhorn aus ungebleichter Baumwolle. Den Metallhaken haben wir selbstverständlich entfernt.
Da wir einen "Dranhäng"-Abschäumer haben, haben wir nachts noch so manchen Albtraum von auslaufendem Wasser. Wir werden eine Konstruktion bauen müssen. Vielleicht einen Acrylglaskasten, der zwischen Wand und Aquarium kommt, damit - wenn was passiert - das Wasser da rein läuft. Andererseits hat er einen extra Überlaufschlauch, der in das Aquarium zurück geht und wir haben eine gute Versicherung.

Unsere aktuellen Bewohner sind :

Der Einsiedlerkrebs Hugo, den wir jedes Mal suchen, wenn wir ins Aquarium schauen und der hoffentlich alle bösen Algen frisst und dem es hoffentlich so gut geht, wie es scheint.

Diverse Röhrenwürmer, die wie kleine Palmen in der Strömung wehen und ganz schnell in ihrer Röhre verschwinden, wenn sie sich erschrecken.












Die namenlose Krabbe aus der Wohnhöhle haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Hoffentlich überlebt sie die Einfahrphase - wenn sie eine nette, freundlich Krabbe ist. Wenn sie ein Fischfresser ist, dann hoffen wir auf natürliche Auslese.

Heute haben wir braune Ablagerungen auf Lebendgestein und Bodengrund entdeckt. Möglicherweise sind das Kieselalgen. Unsere ersten, eigenen Erstbesiedler. Hoffen wir, dass sie nicht überhand nehmen und dass das von ihnen favorisierte Silicat bald aufgebraucht ist - sonst müssen wir mit einem Silicatabsorber ran (es gibt nichts, was es nicht gibt). Wir werden es beobachten. Und auf die Grünalgenphase warten.

Und unser Aquarium beobachten. Wir brauchen dringend eine gute Lupe oder zwei. Denn es geht ständig so: hast du die zwei lila Punkte schon entdeckt? Und das orangfarbene schleimige Ding? Und das könnte eine Muschel mit Schnecke sein.... besser als jedes TV-Programm.



Montag, 28. Januar 2013

VIII. Wasser + Salz + Steine = Leben


Endlich, endlich, endlich geht es los!

Wir hatten ja eine kleine Zwangspause eingelegt, da wir einen längeren Urlaub geplant haben und uns war von Anfang an klar, dass wir in jeder Sekunde der Einfahrphase dabei sein wollen. Somit haben wir mit Wasser, Salz, Lebensgestein sowie Flora und Fauna gewartet. Zwischendurch haben wir uns schon auch das eine oder andere Mal gefragt, ob wir das wirklich wollen. Irgendwie nimmt (anfängliche) Begeisterung ab, wenn man nicht vorwärts kommt. Aber sagen wir lieber, dass die Begeisterung nur geschlafen hat und jetzt wieder voll da ist. Denn: wir waren im Urlaub und haben uns unsere zukünftigen Mitbewohner in der Natur angeschaut. Haben uns für unseren Riffaufbau inspirieren lassen. Haben Fachliteratur gewälzt. Aquariumsbesatz diskutiert und Pläne geschmiedet. Während unseres Urlaubs waren wir häufig schnorcheln und jedes Mal haben wir uns begeistert gefragt, ob dieser oder jener kleine Fisch, wohl für unser Aquarium geeignet wäre. Wir haben die vielen toten Korallen betrauert und uns an den lebenden erfreut. Manchmal hat auch ein kleiner Fisch an uns geknabbert. Und wir haben einen hübschen Riffhai aus der Nähe gesehen. Selten haben wir uns so sehr auf zuhause gefreut.

Kaum zu hause, haben wir die Osmoseanlage angschlossen. Langsam drückt sich das Wasser durch die Filter und pieselt in die bereitgestellten Behälter - in einem dünnen, mickrigen Strahl. Wir werden ewig brauchen. Langsam steigt der Pegel und wir können unsere erste Tunze Strömungspumpe in Betrieb nehmen. Fröhlich ziehen kleine Fussel mit der Strömung ihre Kreise.



Ein kleiner Heizstab bringt das Wasser auf Temperatur. Mindestens 21 °C muss das Wasser haben, damit sich das Salz löst. Kaum ist die Temperatur da, schütten wir Salz rein. 34 g pro Liter. Die Literzahl haben wir anhand von Pegel, Länge und Breite errechnet. Ob wir richtig gerechnet haben und ob wir überhaupt alles richtig gemacht haben, überprüfen wir mit dem Refraktometer, der ja die Salinität des Wasser misst. Wir müssen ein bisschen nachjustieren, aber der Bereich ist schonmal richtig gut.


Dann ist es endlich so weit: Das Lebendgestein kann kommen. Im Zooladen unseres Vertrauens wühlen wir uns mit hochgekrempelten Ärmeln durch die frisch gelieferten Steine aus Indonesien (aus kontrolliertem Anbau). Wir suchen uns die schönsten, buntesten und interessantesten Steine aus und verlassen, vor Vorfreude fast platzend, mit 45 kg Lebendgestein, Life Sand und Bakterien zum animpfen den Laden.

"Mehr als 2 Stunden werden wir dafür ja nicht brauchen." sage ich zu meinem Monsieur. Er schweigt wissend. Wir tragen unsere Steine in den Keller, breiten die Steine auf Karton und Folie aus und fangen an zu puzzeln. Wir sind uns schnell einig, wie das Riff aussehen soll und basteln uns alles so hin, bis es genauso aussieht, wie in unserer Vorstellung. Plötzlich bewegt sich etwas am Boden und wir freuen uns über unseren ersten Riffbewohner: ein kleiner Einsiedlerkrebs in einer spitzen Muschel.



Dann beginnt die eigentliche Herausforderung. Den Aufbau  unter Wasser in einem echt tiefen Aquarium hinzubekommen. Zunächst kommt eine Plexiglasscheibe auf den Aquariumgrund. Schließlich sollen die Steine nicht das Bodenglas zerkratzen und womöglich eine Sollbruchstelle hervorrufen. Dann ziehen die Steine ein. Einer nach dem anderen. Da meine Arme zu kurz und ich zu klein bin, kann ich meinem Monsieur nur die Steine nach und nach anreichen. Er steht auf der Leiter, hängt mit den Achseln über dem Rand und setzt einen Stein auf den anderen. Immer wieder muss er Steine versetzen und neu ausrichten. Schnell wird uns klar, dass wir nicht den genauen Aufbau aus dem Keller wiederholen können, sondern unter Wasser etwas improvisieren müssen. Aber es funktioniert (mit ein paar Flüchen).


 Je höher der Turm wird, desto mehr vermissen Riffmörtel. Hätten wir ihn doch nur mitgenommen. Dann folgt der Life Sand - erstmal zwei Säcke. Und obwohl wir ihn ganz vorsichtig, becherweise auf den Grund geben, wird das Wasser unendlich trüb. Trübe Suppe. Aber irgendwann setzt sich das ja auch wieder.





Als sich dann der Sand setzt, wird klar, dass wir definitiv Riffmörtel brauchen und noch ein paar kleinere Steine. Zum Glück ist das Geschäft nicht weit. Nachdem diese Steine ebenfalls eingesetzt sind und der Sand sich gesetzt hat, ist das Riff fast fertig. Und mit Licht erstrahlt es und ist wunderschön.




 Ein Stein wird, wenn der Riffmörtel trocken - äh hart - ist, noch auf die Spitze gesetzt.
Der Einsiedlerkrebs hat sein Revier schon in Besitz genommen. Obwohl kaum etwas in unserem Aquarium drin ist, ist es so spannend. Es gibt kleine Farne, Gräser, keine Ahnung was, aber sie sind hübsch.

Plötzlich entdeckt mein Monsieur eine kleine Schere. Tatsächlich haben wir noch einen zweiten Bewohner: ein kleiner Krebs wohnt in einem der Steine.

Es ist alles so spannend und aufregend und eins ist klar: Der Fernseher kann ab sofort aus bleiben.